17. November 2023
(K)ein Anschluss unter dieser Schnittstelle
Einen Anschluss zu verpassen, ist unangenehm. Im ÖV kann man die nächste Verbindung abwarten. Wird ein Wand-Deckenanschluss «verpasst», hilft Warten natürlich nicht, um Umtriebe, Diskussionen und Kosten zu bewältigen. Diese müssen aber auch nicht sein. Diese Schnittstelle ist mit vorausschauender Planung, gutem Handwerk und Technikverständnis bestens zu meistern.
Fast kein anderer Anschluss zweier verschiedener Bauteile birgt so viel Potenzial für Diskussionen wie die Schnittstelle zwischen Wand- und Deckenputz. Für diese gibt es zwei Betrachtungsweisen: Zum einen ist sie eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Gewerken. Und zum anderen handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um die Stelle, an der geschnitten werden muss!
Hier bringt der Gipser oder die Gipserin den Trennschnitt, auch Schwedenschnitt genannt, an. Häufig scheiden sich hier die Geister. Es geht um technische Funktion versus Ästhetik. Beidem gerecht zu werden, ist nicht einfach und gelingt leider nicht immer.
Die beteiligten Parteien
An Konflikten, die den Trennschnitt betreffen, sind drei Parteien beteiligt: Bauherrschaft, Planung und Ausführung. Noch vor dem Einzug der Bauherrschaft oder von deren Mietern in die neue Liegenschaft gibt das Aussehen, die ästhetische Wirkung des Trennschnittes, Anlass zu Meinungsverschiedenheiten.

Die häufigsten Beanstandungsgründe, welche die Bauherrschaft oder die Planung vorbringen, sind: Zu breit, zu schmal, zu tief, zu unregelmässig oder gar nicht geschnitten; nicht schön ausgestrichen mit Farbe oder mit Farbe wieder verschlossen oder keine scharfen Ränder. Das Problem ist, dass alle diese Optiken nach Standpunkt der Bauherrschaft als «Fehler» betrachtet werden, obwohl ein Teil von ihnen aus technischer Sicht notwendig sind.
Für all die oben aufgezählten Eigenschaften des Trennschnitts sind der Gipser und die Malerin verantwortlich. Am «Erfolg» oder «Misserfolg» dieser Schnittstelle massgeblich mitbeteiligt sind aber die Architektin, der Baumeister und auch der Bauingenieur.
Letzterer ist am Prozess nur zu Beginn beteiligt, doch bestimmt er mit seinen Berechnungen bezüglich Statik und Akustik den Deckenlager-Typ, den der Baumeister über den tragenden Wänden einzubauen hat.
Herausforderung für den Baumeister
Der involvierte Baumeister muss im Speziellen darauf achten, dass seine Wand mit den einzelnen Steinreihen zuzüglich der Mörtel-Lagerfugen die richtige Höhe erreicht.
Dies ist entscheidend, denn sonst braucht es eine zu dicke/hohe Mörtelausgleichschicht, auch Mörtelglattstrich genannt, um die korrekte Lage des Deckenlagers zu erreichen. Oder anders gesagt: Das Mauerwerk muss so hoch erstellt sein, dass die Mauerkrone inklusive in korrekter Dicke/Höhe ausgeführtem Mörtelglattstrich und Deckenlager sich genau auf derjenigen Höhe befindet, auf welche die Decke zu liegen kommt.
Die richtige Höhe
10 bis 15 mm ist die optimale Dicke/Höhe des Mörtelglattstrichs. Bei dieser Höhe besitzt der Mauermörtel die besten Eigenschaften, um die Kräfte aufzunehmen, die durch Auflast der darüberliegenden Decke oder Geschosse entstehen.
Zudem reduziert sich bei dieser Höhe der Mörtelschwund und ein damit verbundenes mögliches Abreissen (Schwundriss) der Mörtelschicht entlang der Mauerkrone auf das Minimum.
Bei höheren Mörtelschichten ist es daher ratsam, rissüberbrückende, entkoppelnde Massnahmen bereits in der Planung vorausschauend zu berücksichtigen und auch in die Ausschreibung aufzunehmen.
Eine genügende Menge an Laufmetern dieser Massnahmen im Leistungsverzeichnis des Gipserunternehmens erspart die meist unangenehmen Gespräche zwischen Bauleitung, Baumeister und Gipser betreffend nachträgliche Mehrkosten, die eigentlich keine sind, weil man die Ziffer 2.3.2 der Norm SIA 242 für Verputz- und Trockenbauarbeiten in der Planung berücksichtigen müsste.

Das sagt die Norm
In der Norm SIA 242, Ziff. 2.3.2. steht Folgendes: «Beim Einsatz von Deformationslagern, Gleitlagern, Akustiklagern sowie bei nicht tragenden Wänden sind bei grossen Deckenspannweiten spezielle Massnahmen für den Anschluss des Wandputzes an die Betondecke sowie des Deckenputzes an den Wandputz vorzuschreiben.» Obwohl dieses Vorgehen seit 2012 in der Norm definiert ist, wird es immer noch zu wenig beachtet.
Bezüglich der Rolle von Architektur/Planung bei der Schnittstelle Wand-Deckenanschluss beim Innenputz ergänzt ein weiteres Dokument den Stand der Technik so: «Die Planung von Trennschnitten, Bewegungsfugen oder Schattenfugen, deren Anordnung und Dimensionierung ist immer Sache der Planer (Ingenieur/Architektin). Die entsprechenden Massnahmen bei den jeweiligen An- und Abschlüssen müssen detailliert in den Ausschreibungsunterlagen erwähnt werden. Die Angaben sind zur besseren Verständlichkeit und Klarheit für den Unternehmer auch in den Ausführungsplänen einzutragen.» Diese Zeilen stammen aus dem SMGV-Merkblatt Nr. 56 «Planung und Ausführung von Trennschnitten, Bewegungsfugen und Schattenfugen». Sie definieren seit 2006 den Stand der Technik bezüglich Planung dieser Schnittstelle.
Die Herausforderung für den Gipser
Für den Gipser oder die Gipserin sind die Anweisungen gemäss Norm SIA 242 klar. Ein Trennschnitt ist immer «ein durchgehender Schnitt durch alle Putzschichten zur vollständigen Trennung des Putzes». Etwas wird aber leider nicht vorgegeben: Wie die Klinge zu führen ist an dieser Schnittstelle – horizontal, vertikal oder sogar diagonal – und wann in welcher Putzschicht.
Die Meinungen dazu sind unterschiedlich, wie eine Umfrage zur Vorbereitung dieses Artikels aufzeigt: Zehn der angefragten Gipserunternehmer schneiden den Deckenweissputz senkrecht (im rechten Winkel) zur Betondecke. Die anderen acht vertrauen auf den diagonalen Schnitt, um einen rissfreien Anschluss zu erstellen.
In einem Punkt sind sich hingegen alle einig: Der Wandgrundputz im Anschluss an die rohe Betondecke muss immer durch einen horizontal geführten Trennschnitt entkoppeln werden.
Diese Leistung ist selten separat ausgeschrieben. Meistens wird auf Seiten der Auftraggeber davon ausgegangen, dass dies in der im Werkvertrag vorhandenen Position 721.111 nach NPK 671 «Trennschnitt bei zwei Putzschichten zwischen Wand- und Deckenputz» schon integriert sei.
Da diese wichtigen Leistungen, wie gesagt, meist nicht gesondert ausgeschrieben sind, liegt hier Potenzial für einen sinnvollen Nachtrag mit der Norm-Position 721.211.

Mangelhafte Absprachen
Auch bezüglich weiterer technischer Faktoren ist die Absprache zwischen Gipserunternehmen und Planung beziehungsweise Bauleitung nicht immer ausreichend. Selten gibt die Planung vor, wo und in welcher Dimensionierung ein Trennschnitt zu erstellen ist.
Das ist in gewisser Weise verständlich. Da der Gipser der Fachmann für das Erstellen der Verputzarbeiten ist, muss er aus Sicht der Planung doch wissen, wie zu schneiden wäre.
Bei vielen Putzanschlüssen mag das zutreffen. Beim Wand-Deckenanschluss mit Verwendung von Deckenlagern ist aber nicht immer alles klar, wenn die Gipserin sich nur auf den visuellen Eindruck verlassen muss. Es braucht hier eine auf Planung beruhende Anweisungen an die Ausführende.

Ablauf auf der Baustelle
Sind innere Verputzarbeiten auszuführen, so werden die zu verputzenden Untergründe vor Arbeitsbeginn durch den Gipser mit baustellentauglichen Methoden auf ihre Eignung zur Aufnahme des Putzes geprüft. Der Untergrund muss sauber, saugfähig, tragfähig und trocken sein. Diese Prüfung wird in jedem Fall vorausgesetzt und sie ist dem Gipser oder Gipserin auch zumutbar.
Der Prüfung von Putzanschlüssen an Bauteile wie Türzargen, Fensterrahmen oder ähnliche wird erfahrungsgemäss weniger Beachtung geschenkt als der Untergrundprüfung. Hier wird meist satt angeputzt und mittels mehr oder weniger ausgeprägtem Trennschnitt der Putz entkoppelt.
Viele dieser Anschlüsse sind unproblematisch, weil sich die Bauteile nur minimal oder gar nicht verformen. Zeigt ein solches Bauteil ein Schwindverhalten, ergibt sich im Putzanschluss ein feiner Putzabriss, was nicht zu einem Schaden führen muss, sondern meist nur die Ästhetik beeinflusst. Schliessen Verputzarbeiten an Mauerwerken hingegen an eine Betondecke an, sind die Gegebenheiten nicht mehr so einfach abzuschätzen. Je nach Typ des eingebauten Deckenlagers sind mit diesem verschiedene Funktionen verbunden, was zu unterschiedlichen Verformungen im Wand-Deckenanschluss führen wird. Klar ist: Das Abschätzen dieser Verformungen der Betondecke in der Schnittstelle Wand-Deckenanschluss liegt nicht im Kompetenzbereich des Gipserunternehmens. Vielmehr ist es Aufgabe der Planung, die das Detail ausschreiben und mit dem Ausführenden entsprechende Absprachen treffen muss.

Kommunikation ist der Schlüssel
Doch auch das Gipserunternehmen ist in der «Pflicht»: Bei fehlenden Angaben von Seiten der Planung ist es gut beraten, wenn es das Gespräch mit dieser sucht. Der Werkvertrag beinhaltet zwar immer einige Laufmeter Trennschnitte, doch fehlt fast immer die Angabe, wo und wie diese auszuführen sind.

Dabei ist dies ein wichtiges Thema, das von Vorteil zu Beginn der Arbeiten besprochen werden muss. Dies gilt natürlich auch in der Situation, in der das Deckenlager ohne auffällig hohen Mörtelglattstrich und in der richtigen Position unmittelbar Unterkante Betondecke verlegt ist.
Die andere, heutzutage leider auch häufig anzutreffende Situation mit einem Mörtelglattstrich in kritischer Höhe ist eingangs dieses Artikels thematisiert worden. In solchen Fällen ist die Rissprophylaxe im Voraus einzuplanen. Hierzu ist anzumerken, dass der Baumeisterverband (SBV) in Kürze ein Merkblatt veröffentlichen wird, das genau dieses Thema behandelt: «Einbau von Deckenlagern – Häufige Fragen in der Praxis».
Fazit
Deckenlager werden seit mehr als 25 Jahren eingesetzt. Sie verhindern Schallübertragung im Mauerwerk und kraftschlüssige Verbindungen der Betondecke mit dem darunterliegenden Mauerwerk und wirken dadurch rissmindernd.

Aus Sicht der Baumeister haben Deckenlager also nur Vorteile. Für die Gipserunternehmung stellt das Verputzen dieser Schnittstelle aber nach wie vor eine Herausforderung dar. Dies beweisen die häufigen Diskussionen über die Ästhetik sowie die Schadensfälle mit Rissen oder Putzabplatzungen unterhalb von Betondecken und deren Kostenfolgen.
Welches Rezept wird also benötigt, damit keine Schäden oder Meinungsverschiedenheiten zur Ästhetik mehr zu gewärtigen sind?
In einer Sache ist sich der Autor sicher: Damit die Ästhetik wieder aus der Diskussion verschwindet, muss der Trennschnitt des Gipsers wieder an diejenige Stelle transferiert werden, an die er auch hingehört: senkrecht der Wand entlang zwischen Deckenputz und Wandputz. Dies bedingt aber, dass eine nachhaltige Trennung zwischen Wandgrundputz und roher Betondecke erreicht werden muss.

Wir bleiben dran!
Dies zu bewerkstelligen, war schon Teil von Versuchen, die der SMGV mit dem Lagerhersteller HBT-Isol und verschiedenen Baumeistern durchgeführt hat. Die Ergebnisse waren zwar bahnbrechend, und hätten als Erfolg verbucht werden können. Der technische Ansatz war, die Entkoppelung des Wandgrundputzes von der Decke durch ein breiter verlegtes Deckenlager zu erreichen. Dies würde grundsätzlich den horizontalen Trennschnitt überflüssig machen. Jedoch hätten fast chirurgische Verhältnisse herrschen müssen bei der Erstellung der Deckenschalung, der Positionierung und Montage des Lagers auf der Schalung (nicht wie gewohnt dazwischen) und dem Putzauftrag bezüglich Dicke. Die Testreihe wurde aus diesem Grund nicht weitergeführt.
Dies will aber nicht heissen, dass der SMGV nicht weiter dranbleibt, um Lösungen zu suchen.
Text und Bilder: Christoph Fontana