Einstieg in die Berufswelt
Am Ende der obligatorischen Schulzeit geht es zunächst um einen grundsätzlichen Entscheid: Will ich weiterhin eine Schule besuchen oder neige ich eher zur praktischen Arbeit in einer beruflichen Grundbildung?
Die meisten Jugendlichen entscheiden sich für eine dreijährige berufliche Grundbildung in einem Lehrbetrieb. Je nach Beruf besuchen die Lernenden an ein bis zwei Tagen pro Woche die Berufsfachschule oder blockweise die überbetrieblichen Kurse üK . Die praktische Ausbildung findet während drei bis vier Tagen im Betrieb statt.
Die betriebliche Ausbildung soll grundsätzlich in anerkannten Ausbildungsbetrieben nach den Regelungen der Ausbildungsverordnung durch persönlich und fachlich geeignete Berufsbildner erfolgen. Die Durchführung der betrieblichen Ausbildung erfolgt nach einem betrieblichen Ausbildungsplan auf der Grundlage der jeweiligen Ausbildungsverordnung und wird von der jeweils zuständigen Stelle (Kanton) geregelt und überwacht. Sie findet in der Regel an vier Wochentagen statt und wird durch Unterricht an der Berufsfachschule ergänzt und begleitet.
Die betriebliche Ausbildung verfolgt das Ziel, eine breit angelegte Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln sowie den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen (siehe „Lernzielkontrolle Betrieb“).
Die Berufsfachschulen vermitteln den theoretischen Unterricht im Rahmen der dualen beruflichen Grundbildung (Berufslehre). Oft sind ihnen Abteilungen für die höhere Berufsbildung und/oder die berufliche Weiterbildung angegliedert.
Der Begriff Berufsfachschule ersetzt seit 1. Januar 2004 den traditionellen Begriff Berufsschule. Im Volksmund wird auch von Gewerbeschule (für gewerbliche Berufsfachschule) gesprochen.
Die Berufsfelder in der Schweiz, nach denen sich die Berufsfachschulen gliedern, werden in verschiedene Fachrichtungen eingeteilt. Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass die Berufslernenden den vorgesehenen Unterricht besuchen können, indem sie für das jeweilige Berufsfeld Berufsfachschulen führen.
Allgemeine Bildung
Der allgemein bildende Unterricht dauert in der Regel ein halber Tag pro Woche und umfasst Sprache und Kommunikation, Recht und Gesellschaft und Sport. Ziel ist unter anderem die Verbesserung der Sozialkompetenz. Der Lehrplan für die Allgemeinbildung ist für alle Berufe gleich. Dennoch findet der Unterricht in berufsfeldbezogenen Klassen statt.
Berufskundliche Bildung
Dieser Unterricht hat einen sehr engen Praxisbezug zu dem im Betrieb Gelernten.
Weiteres
Für Jugendliche mit überdurchschnittlicher Begabung besteht die Möglichkeit, ergänzend die Berufsmittelschule zu besuchen oder auch das Angebot verschiedener Freifachkurse zu nutzen. Diese werden jeweils an den verschiedenen Berufsfachschulen angeboten.
Die Kurse können individuell auf den Beruf bezogen oder auf die Allgemeinbildung ausgerichtet sein, wie zum Beispiel Informatikkurse oder Fremdsprachen.
Für leistungsschwächere Jugendliche werden an den verschiedenen Berufsfachschulen so genannte Stützkurse angeboten, die eine Hilfestellung für die Lernenden bietet.
REALTO bietet den Lernenden und Berufsbildungsverantwortlichen eine gemeinsame Lernplattform, um:
- Erfahrungen von den verschiedenen Lernorten festzuhalten (digitale Lerndokumentation)
- Erfahrungen und verschiedene Arten von Wissen zu verbinden
- Systematisch zu reflektieren
- Akteure der verschiedenen Lernorte zu verbinden
Die Betreiber beschreiben REALTO als Plattform der nächsten Generation für die berufliche Bildung.
REALTO schafft einen Raum, um die Lernerfahrungen an den drei Lernorten Arbeitsplatz, Berufsfachschule und überbetriebliche Kurse digital zu erfassen, zu reflektieren und zu verknüpfen. Die Erfahrungen können in Form von verschiedenen Medien bzw. Formaten, wie Fotos, Videos, Audio, Zeichnungen oder Kurztexte, festgehalten werden.
REALTO kann via Computer oder Smartphone ortsunabhängig bedient und genutzt werden. Die Medien und Applikationen kommen dabei den Mediengewohnheiten der Jugendlichen erfreulich entgegen.
Die überbetrieblichen Kurszentren bilden einen der drei Lernorte, neben Lehrbetrieb und Berufsfachschule, und sind eine wichtige Ergänzung zur beruflichen Praxis. In den üK erwerben die Lernenden grundlegende berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Arbeitsmethoden.
Die üK haben in handwerklichen Berufen eine lange Tradition, während sie in anderen Berufen erst in den 2000er Jahren im Rahmen grösserer Revisionen durch das neue Berufsbildungsgesetz eingeführt wurden.
Obligatorium
Der Besuch der üK ist obligatorisch. Die Kantone können auf Gesuch des Lehrbetriebs hin Lernende vom Besuch der Kurse befreien, wenn die Bildungsinhalte in einem betrieblichen Bildungszentrum oder in einer Lehrwerkstätte vermittelt werden.
Kosten
Den Lernenden dürfen durch den Besuch der überbetrieblichen Kurse keine zusätzlichen Kosten entstehen. Kursgelder und allfällige Nebenkosten (Bahnbillett, Anteil Mittagessen etc.), die während des überbetrieblichen Kurses anfallen, dürfen also nicht auf den Lernenden oder den gesetzlichen Vertreter abgewälzt werden.
Subventionen
Seit 2008 ist das neue Finanzierungssystem für die Berufsbildung in Kraft. Die aufwandorientierte Subvention des Bundes an die Kantone und Organisationen der Arbeitswelt wurde durch eine Pauschalfinanzierung ersetzt.
Der üK-Pauschalbeitrag (Kantonsbeitrag I) wird pro lernende Person und üK-Tag ausbezahlt und basiert auf der Vollkostenrechnung der üK-Aufwendungen während eines Lehrverhältnisses. Er enthält sämtliche Abgeltungen der öffentlichen Hand, wie die früheren Subventionen für die jährlichen Betriebsmittelgutsprachen oder die Subventionsbeiträge für Investitionen.
Ergänzend zum Kantonsbeitrag I (Bundesbeitrag) wird je Kanton ein zusätzlicher Kantonsbeitrag II (Beitrag des Kantons) entrichtet, der zwischen 0 und 100% vom Kantonsbeitrag I (Bundesbeitrag) liegen kann. Anspruch auf diesen Beitrag haben Lehrbetriebe, bei welchen Personen mit Lehrvertrag tätig sind. Diese Kantonsbeiträge werden auf den Kursrechnungen ausgewiesen und in Abzug gebracht. Die Kantonsbeiträge II (Beitrag des jeweiligen Kantons) beruht auf freiwilliger Basis des jeweiligen Kantons und ist im Gegensatz zum Kantonsbeitrag I (Bundesbeitrag) nicht obligatorisch.
Aktueller ÜK-Pauschalbetrag (Kantonsbeitrag) :
- Maler pro Tag und Lernender: CHF 50.--
- Gipser pro Tag und Lernender: CHF 50.--
Einheitliche Regelung
Vor Lehrantritt muss zwischen dem Lehrbetrieb und den Lernenden zwingend ein schriftlicher Lehrvertrag abgeschlossen werden. Der Inhalt des Vertrages ist schweizweit einheitlich durch die Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz (SBKK) geregelt. Dies gilt für alle beruflichen Grundbildungen, also für das eidg. Berufsattest, das eidg. Fähigkeitszeugnis und die Berufsmaturität.
Berufsbezeichnung und Probezeit
Der Lehrvertrag hält die genaue Berufsbezeichnung und die Dauer der beruflichen Grundbildung fest. Die Probezeit dient den beiden Vertragsparteien zur Überprüfung der getroffenen Wahl. Die Probezeit dauert zwischen einem und drei Monaten und kann höchstens auf sechs Monate verlängert werden.
Verantwortlichkeit
Als Grundlage zur Ausbildung von Lernenden müssen Lehrbetriebe über eine kantonale Bewilligung verfügen. Damit soll sichergestellt werden, dass die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Vermittlung der Bildung in beruflicher Praxis gegeben sind. Die verantwortliche Berufsbildnerin oder der verantwortliche Berufsbildner sind im Lehrvertrag aufgeführt.
Weitere zentrale Inhalte
Ausserdem sind als weitere wesentliche Punkte im Lehrvertrag festzuhalten:
- Lohn: richtet sich meist nach den Empfehlungen der Berufsverbände
- Art der schulischen Bildung, z.B. Besuch der Berufsmittelschule BMS
- Entschädigungen für die im Zusammenhang mit der schulischen Bildung entstehenden Kosten, wie z.B. für Reisen, Verpflegung, Schulmaterial etc., aber auch für Berufsauslagen wie Material, Bekleidung usw.
- Arbeitszeit und Ferien, mit speziell zu berücksichtigenden Vorschriften für Jugendliche unter 20 Jahren
- Obligatorische Versicherungen wie Unfall und Sozialversicherungen
Überforderung ...
Es kommt immer wieder vor, dass eine lernende Person den Anforderungen der gewählten dreijährigen beruflichen Grundbildung mit eidg. Fähigkeitszeugnis nicht gewachsen ist. In diesem Fall kann das Lehrverhältnis in eine zweijährige berufliche Grundbildung umgewandelt werden.
... oder Unterforderung
Umgekehrt kann selbstverständlich auch Unterforderung Grund für eine Umwandlung sein. In diesem Fall kann der Wechsel von der zweijährigen in die dreijährige Grundbildung bzw. der Wechsel von der dreijährigen Grundbildung auf den Weg zur Berufsmaturität eine mögliche Lösung sein.
Die sorgfältige Abklärung der Umstände sollte immer am Anfang eines Entscheides stehen. Dabei ist es besonders wichtig, alle Bildungspartner in den Prozess miteinzubeziehen.
Es gibt Situationen, in denen die Auflösung des Lehrvertrages die beste Lösung für alle Beteiligten ist. Gründe dafür können sein:
- Überforderung der Lernenden
- Gesundheitliche Probleme
- Ungeeignete Berufsbildner
- Wesentlich veränderte Umstände
- Konkurs des Lehrbetriebes
Unabhängig davon, welche Gründe letztlich zur Auflösung des Lehrverhältnisses führen: Es ist sinnvoller und angenehmer für alle Beteiligten, wenn ein möglichst einvernehmlicher Entscheid getroffen werden kann, der von allen richtig verstanden und akzeptiert wird. Eine Vertragsauflösung ist immer auch ein Lehrstück und eine Chance, die mithelfen soll, die berufliche Ausbildung der Lernenden in die richtige Bahn zu lenken und nicht, sie zu behindern.
Kündigung in der Probezeit
Während der Probezeit können sowohl die lernende Person wie auch der Lehrbetrieb den Lehrvertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sieben Tagen einseitig kündigen.
Kündigung in gegenseitigem Einverständnis
Nach Ablauf der Probezeit kann das Lehrverhältnis während der gesamten Dauer der beruflichen Grundbildung von Berufsbildnerin und lernender Person in beidseitigem Einverständnis aufgelöst werden.
Einseitige Kündigung
Berufsbildner und lernende Person haben das Recht, den Lehrvertrag vorzeitig und einseitig aufzulösen, wenn wichtige Gründe vorliegen – die allerdings streng zu beurteilen sind. Explizit nennt das Obligationenrecht folgende Gründe:
- wenn der Berufsbildner oder die Berufsbildnerin fachlich oder persönlich zur Ausbildung nicht geeignet ist,
- wenn die lernende Person körperlich oder geistig überfordert resp. gesundheitlich oder sittlich gefährdet ist,
- wenn die berufliche Grundbildung nicht oder nur unter wesentlich veränderten Bedingungen zu Ende geführt werden kann.
Kündigung durch die Behörde
Schliesslich hat auch die kantonale Behörde, in der Regel das Berufsbildungsamt, die Kompetenz, das Lehrverhältnis durch Widerruf der Bildungsbewilligung aufzuheben. Sie kann dies tun, wenn die Bildung in beruflicher Praxis ungenügend ist oder die Berufsbildner/innen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder ihre Pflicht verletzen.
Für Lernende des Maler- und Gipserberufes bieten die regionalen Ausbildungszentren eine breite Palette an Lehrlingskursen an.
Wenn es darum geht, Routine bei Tapezierarbeiten zu erlangen, verschiedene Spritzarten näher kennenzulernen oder sich Wissen im Bereich des Farbenmischens anzueignen, dann ist das Lehrlingskursangebot eine sehr gute Ergänzung zur Ausbildung im Betrieb.
Der Besuch von Lehrlingskursen ist fakultativ und umfasst in der Regel 4 Kurstage.
Alle Lernenden haben sich gegen Ende der beruflichen Grundbildung dem Qualifikationsverfahren QV (Lehrabschlussprüfung LAP) zu unterziehen. Für die Anmeldung der Lernenden ist der Lehrbetrieb verantwortlich.
Prüfungen sind nicht öffentlich, die zu prüfenden Inhalte sind durch die Verordnungen über die berufliche Grundbildung vorgegeben.
Bewertung
Die Prüfung für die Allgemeinbildung wird von der Berufsfachschule selbst durchgeführt. Für die Note des Lehrabschlusses zählen folgende Werte zu je einem Drittel:
- selbstständige Vertiefungsarbeit
- standardisierte Schulprüfung
- Erfahrungsnote aus Semesterzeugnissen
Teilprüfung
Bei der Teilprüfung schliessen die Lernenden einen Teil des fachlichen Stoffes während der beruflichen Grundbildung ab. Damit wird festgestellt, ob die notwendige Basis für die darauf aufbauenden Anwendungen vorhanden ist. Bei Malern und Gipsern gibt es innerhalb der Grundbildung allerdings keine Teilprüfungen.
Zwischenprüfungen
Die Teilprüfung darf nicht mit der Zwischenprüfung verwechselt werden. Bei der Zwischenprüfung handelt es sich um einen vom Berufsbildungsamt angeordneten Test, mit dem festgestellt wird, ob eine lernende Person den verlangten Anforderungen entspricht. Ist dies nicht der Fall, werden entsprechende Massnahmen eingeleitet.
Prüfungswiederholung
Wiederholungen sind frühestens nach einem halben Jahr möglich. Dabei müssen stets die ganzen Qualifikationsbereiche absolviert werden, bei denen die Note ungenügend war.
Führt die zweite Prüfung wieder zu einem Misserfolg, kann ein Jahr danach die dritte und letzte abgelegt werden. Eine Verlängerung der beruflichen Grundbildung ist bei einer nicht bestandenen Abschlussprüfung möglich.
Einsprache und Rekurs
Wer ein Qualifikationsverfahren (Abschlussprüfung) nicht bestanden hat, kann gegen den Entscheid der Prüfungsbehörde mit einem begründeten Antrag Einsprache erheben.
Ausweise
Je nachdem, welchen Bildungstyp eine lernende Person absolviert hat, erhält sie am Ende ihrer beruflichen Grundbildung:
- ein eidg. Fähigkeitszeugnis EFZ für eine drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung
- ein eidg. Berufsattest EBA für eine zweijährige berufliche Grundbildung
Die Zulassung zum Qualifikationsverfahren QV (Lehrabschlussprüfung LAP) ist nicht vom Besuch eines Bildungsganges abhängig. Zur Prüfung werden auch erwachsene Personen zugelassen, die den Beruf nicht erlernt haben, aber eine mindestens fünfjährige Berufspraxis ausweisen können, sowie Lernende anerkannter privater Bildungsinstitutionen.
Praxis und theoretische Kenntnisse
Neben den genannten 5 Jahren Berufspraxis sind auch Sonderfälle möglich, die von dieser Regel abweichen können. Zuständig für diese Entscheide ist das Berufsbildungsamt.
Kandidat/innen müssen den Nachweis erbringen, dass sie über die notwendigen Kenntnisse in der beruflichen Grundbildung verfügen. Es bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten, diese Kenntnisse zu erwerben:
- Besuch des Berufsfachschul-Unterrichts
- Besuch eines Vorbereitungskurses, der von Berufsfachschulen oder von Berufsverbänden angeboten wird
- Erarbeiten des Stoffes im Selbststudium. Die Berufsfachschulen geben Auskunft über die empfohlenen Lehrmittel.
Prüfung
Sie ist grundsätzlich identisch mit der ordentlichen Abschlussprüfung. Wo keine Erfahrungsnoten der Berufsfachschulen übernommen werden können, gilt die Regelung in der jeweiligen Verordnung über die berufliche Grundbildung.
Wer bereits eine Abschlussprüfung bestanden hat oder über eine gleichwertige Vorbildung verfügt, kann auf Gesuch hin in einzelnen Fächern von der Prüfung befreit werden. Nach bestandener Abschlussprüfung erhalten die Kandidat/innen das eidg. Fähigkeitszeugnis oder das eidg. Berufsattest.
Auskunft
Für Auskunft und Beratung sind die Berufsberatungsstellen, die Berufsinformationszentren BIZ oder das jeweilige kantonale Berufsbildungsamt zuständig.