Berufsbildung: Die Politik ist gefordert
Dass es kostspielig ist, Berufsnachwuchs auszubilden, legte Dario Hofmann dar. Der junge Malerunternehmer aus St. Gallen war einer von zwei Mitgliedern des SMGV, die am Parlamentarieranlass das Thema «Ist die Berufsbildung weniger wert als ein Studium?» aus der Praxis beleuchteten.
Er wies darauf hin, dass im Maler- und im Gipsergewerbe lediglich 36 Prozent der Betriebe Lernende ausbilden und nur ein Drittel genügend Bewerbungen dafür bekommen. Hofmann zeigte detailliert auf, wie viel ein/e Lernende/r das Unternehmen kostet. Dem gegenüber stellte er die (potenziellen) Einnahmen, die Lernende durch ihre Arbeit einbringen. Fazit: Es resultiert ein finanzieller Verlust ausser wenn eine Nachwuchskraft besonders leistungsfähig ist.
«Gute Lehrbetriebe haben eine enorme Wichtigkeit und Verantwortung und sollten dafür finanziell entschädigt oder bevorzugt werden», forderte Hofmann. Dies würde weitere Unternehmen dazu bewegen, sich für Lernende stark zu machen, ist er überzeugt.
Staat finanziert nur Studium
Der zweite Referierende war Franz Kempf, Gipserunternehmer aus Altdorf UR und Lehrmeister des amtierenden Berufs-Europa-Champions Iwan Arnold. Kempf schilderte seinen eigenen Werdegang vom Bauernsohn bis zum Aufbau seines Betriebs mit heute bis zu 40 Mitarbeitenden. Er muss feststellen, dass den Lehrbetrieben von der öffentlichen Hand «nur das Minimalste an Wertschätzung und finanzieller Unterstützung» zukomme. So gibt es zum Beispiel keine Beiträge des Staates für Weiterbildungen. Dies im Gegensatz zum Studium, das weitestgehend mit Steuermitteln finanziert wird.
Der Urner Gipserunternehmer erlebt immer öfter, dass Eltern, Lehrpersonen und sogar die Berufsberatungen jungen Menschen davon abraten, einen Bauberuf zu erlernen. Aus all diesen Gründen rief Kempf die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu auf, auf politischer Ebene zu prüfen, ob Lehrbetriebe finanziell unterstützt werden könnten und auch persönlich in ihrem Umfeld «Werbung» für die handwerklichen Berufe zu machen.
Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben
Letzteren Punkt griff Silvia Fleury auf. «Die Köpfe der Gesellschaft sind entscheidend», sagte die Verbandsdirektorin und hielt die ernüchternde Tatsache fest, dass sich heutzutage die Betriebe bei den Lernenden bewerben müssten und nicht mehr umgekehrt.
Mario Freda, der Zentralpräsident des SMGV, stellte klar, dass es nicht darum gehe, die duale Berufsbildung gegen das akademische Studium auszuspielen, sondern um das Schaffen gleich langer Spiesse. Er appellierte an die Politik: «Unterstützen Sie uns! Die KMU sind das Rückgrat der Wirtschaft. Es darf deshalb nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben.»
Nach den Referaten entbrannte eine rege Diskussion unter den 15 Parlamentsmitgliedern. Dabei kristallisierten sich zwei pragmatische Ansätze heraus: Einerseits die steuerliche Entlastung von Lehrbetrieben und anderseits deren Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Zu letzterem Punkt ist anzumerken, dass zwar im staatlichen Submissionswesen die Regel gilt, auch andere Kriterien als nur den Preis zu berücksichtigen. Dieser wird in der Praxis jedoch oft keine Beachtung geschenkt.
Motion wird eingereicht
Um diesen Forderungen Nachdruck zu verschaffen, wird Malermeisterin Sandra Sollberger, Baselbieter SVP-Nationalrätin und Mitglied des SMGV-Zentralvorstands, eine Motion mit dem Titel «Lehrbetriebe entlasten» einreichen.
Darin fordert sie den Bundesrat dazu auf, «mit gezielten Unterstützungsmassnahmen für Lehrbetriebe, wie etwa Steuerabzüge, Weiterentwicklung des Konzepts Lehrbetriebsverbünde, sowie durch regulatorische und administrative Erleichterungen, dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Falls nötig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.»
Text und Bilder: Raphael Briner