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Dampfdiffusion von Ölfarbe wird häufig überschätzt

Bei Ölfarben sind deren hohe Diffusionswiderstands­zahlen zu beachten. Feuchtigkeit im Untergrund kann nur erschwert abtrocknen. Deshalb ist es heikel, Ölfarben als diffusionsoffene Beschichtungen zu bezeichnen.
09.05.2025 Wissen
  • Es braucht einen konstruktiven Witterungsschutz. Sonst kommt es zu Schäden.

    Es braucht einen konstruktiven Witterungsschutz. Sonst kommt es zu Schäden.

Der Prozess der Wasserdampfdiffusion durch Bauteile ist bis heute von einigen Bauschaffenden nicht richtig verstanden worden. Deshalb kommt es gerade bei diesem Thema immer wieder zu Fehlinterpretationen und falschen Vorstellungen bezüglich der Leistungsfähigkeit und auch der durch die Diffusion abführbaren Feuchtigkeitsmengen. 

Die Wasserdampfdiffusion ist vom Ort eines höheren Wasserdampfgehalts zum Ort eines niedrigeren Wasserdampfgehalts gerichtet. Es handelt sich um einen langsamen Transportprozess, der durch die thermische Bewegung der Wassermoleküle verursacht wird.

Vor allem im Winter von Bedeutung

Der Vorgang ist vor allem im Winter von Bedeutung, weil in beheizten Räumen der Wasserdampfgehalt höher ist als in der kalten Aussenluft. In trockenen, porösen Baustoffen wird Wasserdampf durch Dampfdiffusion innerhalb der luftgefüllten Poren weitergeleitet. 

Dadurch wird Feuchtigkeit von innen ins Bauteil eingebracht. Die danach aus dem Bauteil abgeführten Feuchtigkeitsmengen sind aber im Vergleich zu der Feuchtigkeitsmenge beispielsweise aus einem Lüftungsvorgang sehr klein. Deshalb ist die Wasserdampfdiffusion hinsichtlich des Abtransports von Feuchtigkeit aus Räumen nur von untergeordneter Bedeutung.

Baustoffe leisten Widerstand

Die Wasserdampfdiffusion wird durch den sogenannten Diffusionswiderstand der Baustoffe begrenzt. Dieser lässt sich durch die «diffusionsäquivalente Luftschichtdicke» des Bauteils beschreiben, deren Wert mit sd angegeben wird. Je kleiner der sd-Wert des Materials ist, desto leichter können Wassermoleküle dieses durchwandern. Bei Beschichtungen sieht die Sache etwas anders aus als beispielsweise bei mineralischen Putzen oder Baustoffen. Je nach Bindemitteltyp und sonstiger Zusammensetzung der Beschichtung bilden sich keine klassischen Porensysteme aus, durch die Wasserdampf diffundieren kann.

Bei der Beschichtung eines Untergrunds ist die Durchlässigkeit von Wasserdampf durch diese Beschichtung ein wichtiger Faktor für die richtige Auswahl. Diese Eigenschaft, nämlich die Regulierung des Wasserdampfaustauschs zwischen dem Untergrund und der umgebenden Luft, spielt eine grosse Rolle beim Schutz oder der Sanierung von Oberflächen. 

Vergleich der Diffusions­widerstands­zahlen (µ-Werte) häufig verwendeter ­Beschichtungen.

Bezeichnung

Diffusions­widerstandszahl [µ-Wert]
Ölfarbe 20 000–70 000
Acryllackfarbe 6 000–15 000
Dispersionsfarbe 900–1 500
Dispersions­silikatfarbe 400–600
Kalkfarbe 100–150

Eigenschaften und Erhärtung

Traditionelle Ölfarben spielen eine wichtige Rolle im Denkmalschutz. Richtig angewendet sind damit hochwertige und langlebige Anstriche zu realisieren. Sie sind für vielerlei Untergründe geeignet. Eine Ausnahme ­bilden mineralische Untergründe, die alkalisch sind, da es hier zur sogenannten Verseifung kommt. Das schädigt die Ölfarbe und macht sie somit wasserlöslich.

Auch hinsichtlich der Diffusionseigenschaften gibt es bei der Ölfarbe einiges zu beachten. Ölfarben bestehen üblicherweise aus Farbpigmenten, Leinölfirnis (hergestellt durch Erhitzen von Leinöl und Zusatz von Trocknungsbeschleunigern), Lösemittel und Füllstoffen. Die Erhärtung einer Öl­-farbe erfolgt durch Verdunstung des Lösemittels, Polymerisation und Oxidation. Es entsteht zwar ein witterungsbeständiger, aber auch ein ziemlich diffusionsdichter Anstrichfilm. Dem konstruktiven Witterungsschutz von Holz, das mit Ölfarben gestrichen werden soll, kommt daher eine wich­tige Rolle zu.

Bei höherer Feuchtigkeit kommt es bei Ölfarben zu Quellvorgängen, was einen Einfluss auf deren Diffusionsfähigkeit hat. Sie werden bei hoher Umgebungsfeuchtigkeit sogar etwas diffusionsoffener. Man nennt diese Prozesse Lösungsdiffusion. Ein Phänomen, das bei organischen Beschichtungen eine Rolle spielt. Daher muss zwischen der Diffusionsfähigkeit bei niedriger und höherer Umgebungsfeuchtigkeit unterschieden werden.

Diffusionsfähig oder nicht?

Der Autor dieses Artikels hat sich vor mittlerweile fast zehn Jahren im Rahmen eines Bauschadens auf die Suche nach der zum Einsatz gekommenen Ölfarbe gemacht. Im Technischen Merkblatt stand, dass die Ölfarbe sehr diffusionsfähig sei und einen «atmungsfähigen» Anstrich ergebe. Diese Aussage und Wortwahl machten den Autor stutzig. Es folgte ein Telefonat, in dem der Vertrieb darauf beharrte, dass die Ölfarbe sehr diffusionsfähig sei. Aufgrund des Schadens stellte sich aber die Frage, ob das stimmt und wie diffusionsfähig Ölfarben denn tatsächlich sind.

Problematische Stellen

Ein Problem mit Bauteilen, das regelmässig zu Schäden führt, ist der Eintritt von Wasser über Fehlstellen, Risse oder Fugen. Das gilt es zu vermeiden, was bei einer Fachwerkfassade im Anschlussbereich Gefach/Holz allerdings nicht möglich ist. Dort hat es immer Fugen und Risse.

Bei Holzfachwerk ist auf eine ausreichende Wasserdampfdurchlässigkeit zu achten. Die vom Holz über Undichtigkeiten aufgenommene Feuchtigkeit darf sich nicht aufschaukeln. Ein­gedrungenes Wasser muss schnell wieder abtrocknen können. Eine Beschichtung stellt jedoch eine Art Barriere dar, die das Abtrocknungsverhalten von eingedrungener Feuchtigkeit einschränkt. Nebenbei sei erwähnt, dass der Witterung ausgesetztes Fachwerk verkleidet und nicht frei bewittert werden soll.

Schaden an einer bewitterten Fachwerk­fassade. Unter der diffusionsdichten ­Ölfarbe zeigt sich das ­bereits durch Holzfäule geschädigte Holz. Schaden an einer bewitterten Fachwerk­fassade. Unter der diffusionsdichten ­Ölfarbe zeigt sich das ­bereits durch Holzfäule geschädigte Holz.

Wichtige Hinweise im Merkblatt

Das WTA-Merkblatt 8.7 «Beschichtungen auf Fachwerkwänden – Holz» gibt wichtige Hinweise zur Thematik: «Diffusionsdichte Beschichtungen müssen nicht automatisch zu Holzschäden führen. Bei Beschichtungen mit einer hohen Wasserdampfdurchlässigkeit kann das über die Konstruktion eingedrungene Wasser weitgehend ungehindert verdunsten.» Weiter steht dort, dass Beschichtungen, die den empirisch ermittelten sd-Wert von 0,5 m nicht deutlich überschreiten, in der Regel als geeignet und ausreichend wasserdampfdurchlässig angesehen werden können. Das Diagramm unten zeigt die Trockenschichtdicke in Mikrometer in Abhängigkeit vom µ-Wert des Beschichtungssystems.

Wie der Autor aus eigenen Messungen in seiner früheren Tätigkeit an der Empa bestätigen kann, sind bei Ölfarben Diffusionswiderstandszahlen (µ-Werte) bei üblichen Schichtdicken im Bereich von 40  000 bis 70  000 keine Seltenheit (Tabelle Seite 17). Gemäss dem auf der linken Seite gezeigten Diagramm dürfen bei zunehmendem µ-Wert der Beschichtung unter Einhaltung des Grenzwerts von sd = 0,5 m nur noch dünne Anstrichdicken realisiert werden. In der Praxis lassen sich aber wegen der häufig anzutreffenden Rauigkeit von (historischen) Fachwerkhölzern Schichtdicken von kleiner 100 bis 150 Mikrometer oft nicht bewerkstelligen.

Die Ölfarbe erschwert die Abtrocknung von Feuchte. Holzfäule ist das Ergebnis. Die Ölfarbe erschwert die Abtrocknung von Feuchte. Holzfäule ist das Ergebnis.

Untergrund muss trocken sein

Der Untergrund muss für einen Ölfarbenanstrich trocken sein, da dieser Feuchtigkeit nicht zur Verdunstung an die Oberfläche durchlässt. Vorhandene Feuchtigkeit könnte daher nur erschwert abtrocknen und es käme zu hoher Holzfeuchtigkeit mit Holzfäule und Pilzbefall. Feuchtigkeit beeinflusst auch die Haftfestigkeit der Ölfarbe auf dem Untergrund. Durch Feuchtigkeitswechsel kommt es zum Quellen und Schwinden des Holzes und somit zu Dimensionsänderungen. Der Anstrich quillt und es bilden sich Blasen aus.

Gesamtschichtdicke beachten

Die Gesamtschichtdicke muss bei Sanierungen immer im Auge behalten werden. Bei jeder neu aufzubringenden Schicht muss der sd-Wert der alten Beschichtungen berücksichtigt werden. Dabei sind sd-Werte von mehreren Metern äquivalenter Luftschichtdicke schnell einmal erreicht. 

Unter Berücksichtigung oben genannter Faktoren kann gesagt werden, dass es sich bei Ölfarben nicht um diffusionsfähige Anstriche handelt. Für Holzbauteile sind sie nur geeignet, wenn diese dauerhaft vor Feuchtigkeit konstruktiv geschützt sind. Wenn Holzbauteile feucht werden, sind Ölfarben nicht die richtige Wahl. Sie verhindern ein rasches Abtrocknen der Feuchtigkeit aus dem Untergrund. In solchen Fällen sind andere Beschichtungssysteme und nicht filmbildende Holzlasuren daher besser geeignet.

Text und Bilder: Thomas Stahl

Autor Thomas Stahl ist diplomierter Malermeister und Bauphysik-Ingenieur FH. Er ist Mitinhaber und Geschäftsführer der IABP Bauphysik AG in Winterthur ZH.

 
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