Farbe an der Fassade aus bauphysikalischer Sicht
Fassadenfarben gibt es zwar nicht wie den sprichwörtlichen Sand am Meer, aber in sehr grosser Zahl und technologischer Vielfalt. So hat die Schweizer Stiftung Farbe bereits über 200 Fassadenbeschichtungen und Systemprodukte mit ihrer Umwelt-Etikette klassifiziert.
Tatsächlich gibt es auf dem Schweizer Markt sicherlich mehrere hundert Beschichtungsstoffe für den Schutz von mineralischen Fassaden. Wie soll der Handwerker bei dieser Vielfalt das richtige System für sein Objekt auswählen? Hier kommt oft der Wunsch nach der universellen Fassadenfarbe auf. Jede Fachperson weiss aber, dass die universelle Fassadenfarbe nicht existiert und auch nicht existieren wird. Es gibt zwar immer wieder ehrgeizige Marketingstrategen, die dies von ihrem Produkt behaupten, aber die Regeln des Fassadenschutzes belehren uns eines Besseren. Die Bauphysik setzt hier klare Grenzen.
Fassadenfarben dienen nicht nur der Gestaltung. Sie sollen in erster Linie das Bauwerk schützen. Ein dauerhafter Fassadenschutz ist jedoch nur möglich, wenn die Beschichtung optimal auf den jeweiligen Untergrund abgestimmt ist. Moderne Fassadenfarben bieten neben dem wichtigen Feuchte- und Witterungsschutz auch Schutz vor Algen und Pilzen, vermindern das Aufheizen der Fassade und beugen dem Ausbleichen des Farbtons vor.
Vor der Wahl kommt die Bauphysik
Vor der Produktwahl kommt die Bauphysik. Fassaden sind zahlreichen Belastungen ausgesetzt. Wasser in seinen drei Aggregatzuständen gehört sicherlich zu den grössten Feinden unserer Bauwerke. Die Baustoffe sind in der Regel hydrophil, nehmen also Wasser auf. Stimmt man die Fassadenbeschichtung nicht auf den zu schützenden Untergrund ab, sind Schäden vorprogrammiert. Ein Faktor sind Salze im Untergrund. Sie werden durch eindringende Feuchtigkeit erst richtig gefährlich. Deshalb sorgt erst ein optimaler Wasser-haushalt für langjährigen Fassadenschutz.
Auch die UV-Strahlung kann Fassadenbeschichtungen in Mitleidenschaft ziehen. Eine bekannte Folge sind Farbtonveränderungen. Diese entstehen durch Abbaureaktionen der Beschichtung und Schäden an der Pigmentierung. Alle organischen Materialien werden über kurz oder lang Opfer der UV-Strahlung. Um Schäden vorzubeugen, gibt es Merkblätter, wie das BFS-Merkblatt Nr. 26, die auf etwaige Schadenpotenziale hinweisen und eine sehr gute Unterstützung bieten.

Luftschadstoffe hinterlassen ebenfalls bleibende Spuren und Schäden an der Fassade. Zwar gibt es heute Fassadenbeschichtungen mit guter Anschmutzungsresistenz, aber die allgegenwärtigen Schmutzfahnen zeigen deutlich, dass dieser Effekt Grenzen hat.
Theoretisch ist die Fassade ein intaktes, homogenes Bauteil ohne Fehlstellen. Die Praxis sieht allerdings anders aus. Schaut man genau hin, so findet man praktisch überall Haar- und Schrumpfrisse. Diese sind Eingangspforten für Feuchtigkeit. Grössere Risse können bei Regenbelastung grosse Mengen Wasser in den Untergrund gelangen lassen. Abplatzungen an der Fassade, Blasenbildungen im Fassadensystem und der Befall durch Pilze und Algen zeigen täglich auf, wie komplex der Fassadenschutz ist.
Langfristig schadenfrei bleiben
Nur auf den Untergrund abgestimmte Fassadenbeschichtungen können diese Feuchtigkeit in nützlicher Frist wieder abtrocknen lassen. Deshalb wird seit vielen Jahrzehnten der neuste Stand der Bauphysik einbezogen, was es allen Beteiligten ermöglicht, Fassaden so zu planen, zu bauen und mit Beschichtungssystemen zu schützen, dass diese langfristig schadenfrei bleiben.
Für die korrekte Auswahl der optimalen Fassadenfarbe auf einem bestimmten Untergrund sind folgende Informationen respektive Kenntnisse unerlässlich:
- Eigenschaften der Untergründe (Bestimmung von zum Beispiel Altbeschichtungen)
- Bauphysikalische Zusammen-hänge
- Eigenschaften der Fassadenfarben.
Grundeigenschaften kennen
Um beurteilen zu können, welche Fassadenfarbe unter Berücksichtigung der bauphysikalischen Zusammenhänge überhaupt gestrichen werden darf, müssen die bauphysikalischen Grundeigenschaften der mineralischen Untergründe und der Fassadenfarben bekannt sein! Jeder Anbieter sollte seine Fassadenbeschichtungen hinsichtlich ihrer bauphysikalischen Eigenschaften charakterisieren und diese Kenngrössen in den technischen Merkblättern kommunizieren.
Folgende Angaben sind für die Auswahl des richtigen Beschichtungssystems von Bedeutung:
- Wasserdampf-Diffusionsstromdichte (sd-Wert)
- Durchlässigkeit für Wasser (w24-Wert)
- Rissüberbrückung
- Kohlenstoffdioxid-Durchlässigkeit
- Korngrösse
- Glanzgrad
- Praxisübliche Trockenschichtdicke.
Diese Kriterien, nach denen die Differenzierung eines Beschichtungssystems für eine bestimmte Anwendung zu beurteilen ist, legt die Norm SN EN 1062-1 «Lacke und Anstrichstoffe - Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Untergründe und Beton im Aussenbereich – Teil 1» fest.
Theorie und Praxis
In der Praxis hat sich allerdings durchgesetzt, dass Fassadenfarben nach ihrem Bindemittel charakterisiert werden, was aus bauphysikalischer Sicht für die korrekte Auswahl allein nicht zielführend ist. So gibt es zum Beispiel Fassadenfarben auf Dispersionsbasis, die weiter unterteilt sind in Reinacrylat-Fassadenfarben, Siliconharzfarben, Silan-modifizierte Fassadenfarben, 1K-Silikatfarben (in der Schweiz gerne als Organo-Silikatfarben bezeichnet), Betonschutzfarben, Kalkfarben usw. Diese Bezeichnungen geben zwar Hinweise auf bestimmte Eigenschaften der Produkte. Erst die Verbindung mit den Kriterien der SN EN 1062 lässt aber eine optimale Auswahl zu.
Beachtet man diese Kriterien der Norm, so wird rasch klar, welche bauphysikalischen Grenzen für Fassadenbeschichtungen gelten. Eine Siliconharzfarbe funktioniert zum Beispiel auf vielen Fassadenuntergründen ausgezeichnet, eignet sich aber aufgrund ihrer CO2-Durchlässigkeit nicht oder nur bedingt als Betonschutzbeschichtung.
Die klassische Dispersionsfassadenfarbe dient heute in erster Linie der Erfüllung vielfältiger Farbtonwünsche, da sie den Einsatz hochwertiger organischer Pigmente ermöglicht. Ihre Eignung für unterschiedliche Fassadenuntergründe oder bestehende Altanstriche ist jedoch aufgrund der begrenzten Diffusionsfähigkeit eingeschränkt.
Hilfreiche Norm
SN EN 1062-1 «Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Substrate und Beton im Aussenbereich»
Diese Norm hilft dabei, Fassadenfarben nach ihren funktionalen Eigenschaften zu klassifizieren und ihre Eignung für verschiedene Einsatzgebiete klar zu definieren. Sie stellt sicher, dass die verwendeten Farben für den jeweiligen Einsatzort und die klimatischen Bedingungen geeignet sind.
Untergrund prüfen!
In der Norm DIN EN ISO 7783-2 werden Fassadenbeschichtungen bezüglich ihrer Wasserdampfdiffusionsstromdichte (V) in drei Klassen eingeteilt. Je kleiner der sd-Wert eines Bauteils ist, desto grösser ist seine Wasserdampfdurchlässigkeit.
Beschichtungen der Klasse V1 haben dabei die höchste Wasserdampfdurchlässigkeit. Wenn zum Beispiel Feuchtigkeit in den Untergrund gelangt, etwa durch Wasserdampfdiffusion aus dem Gebäude oder durch ständige Betauung oder Schlagregen, können die betroffenen Bereiche umso schneller wieder austrocknen, je diffusionsoffener die Fassadenbeschichtung ist. Dadurch sinkt das Risiko von Schäden.
Diese Informationen allein reichen jedoch nicht aus, um eine nachhaltige und dauerhafte Fassadenbeschichtung zu gewährleisten. Entscheidend ist eine sorgfältige Prüfung des Untergrunds sowie die Sicherstellung, dass dieser die erforderlichen Anforderungen erfüllt. Dabei leisten Farben- und Lackhersteller wertvolle Unterstützung mit umfassender Produktkenntnis und oft langjähriger Praxiserfahrung in Bezug auf bauphysikalische Zusammenhänge.
Dold ist Spezialist für hochwertigen Fassadenschutz
Die Dold-Gruppe deckt den gesamten Bereich der Beschichtungen für Fassaden ab. Dazu gehören die Pulverlacke der IGP für Metallfassaden, Nasslacke für Handwerk und industrielle Lackierung als Ergänzung oder Alternative zu Pulverlacken, Holzschutzprodukte und eine systematisch aufgebaute Fassadenpalette für mineralische Fassaden.
Die Dold AG entwickelt und produziert ihre Produkte in der Schweiz. Der Fassadenmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten markant auf die Renovierung vorhandener Fassaden verlagert. Die Anforderungen an Gipser, Malerbetriebe und die Produkthersteller werden immer anspruchsvoller. Für Handwerker ist es unabdingbar, Kunden umfassend zu beraten und letztlich ein geeignetes Beschichtungssystem auszuwählen. Für diese Entscheidung sind im Beratungsprozess technische und wirtschaftliche Gesichtspunkte relevant. Dold bietet mit dem «TSC – Technisches Support Center» Service und Beratung rund um die Fassade. Das TSC unterstützt die Kunden in vielen Bereichen oder Fragestellungen von Kundenservice über technische Beratung (auch vor Ort), Aufbauempfehlungen und Farbgestaltung bis zu Schadenexpertisen und Reklamationsbearbeitung.
Text und Bilder: Dold AG
Fokus Bauphysik
Fassadenfarben
Fassadenfarben haben eine lange Geschichte. Bereits im alten Ägypten, im antiken Griechenland und im Römischen Reich wurden Gebäude mit Farben verziert, um sie zu verschönern und vor den Witterungseinflüssen zu schützen. In allen Epochen finden sich Fassadenfarben, meist auf Basis natürlicher Rohstoffe. Im späten 19. Jahrhundert kamen die ersten «modernen» Silikatfarben zur Anwendung. Die moderne Chemie ermöglichte im 20. Jahrhundert eine intensive Entwicklung zahlreicher Fassadenfarbentechnologien. Der globale Markt dafür wird bis 2027 voraussichtlich ein Volumen von etwa 50 bis 60 Milliarden US-Dollar erreichen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 4 bis 5 Prozent. In der Schweiz gehören die Fassadenfarben nach den Innenfarben zu den meist produzierten und verwendeten Beschichtungsstoffen.
Wasserdampf
In der Raumluft ist Wasserdampf enthalten. Ein Wasserdampfmolekül hat die Grösse von nur einem Zehnmillionstel Millimeter (0,0000001 mm). Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Wird die Sättigungsmenge überschritten, schlägt sich die Luftfeuchtigkeit als Kondenswasser an kalten Bauteilen nieder. Im Winter ist die relative Luftfeuchte von Innen- und Aussenluft meist sehr unterschiedlich. Dieses Druckgefälle will sich ausgleichen und veranlasst die Wasserdampfmoleküle, in die Bauteile einzudringen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Wasserdampfdiffusion. Manche Baustoffe setzen dem Wasserdampf wenig, andere mehr Widerstand entgegen.
Die Diffusionsfähigkeit von Baustoffen kann man messen. Sie wird mit der Diffusionswiderstandszahl µ bezeichnet. Die Diffusionswiderstandszahl µ ist eine Stoffkonstante und unabhängig von der Schichtdicke. Für die Praxis am Bau ist sie weniger relevant, weil jeder Baustoff eine andere Dicke hat. Beschichtungsstoffe haben häufig einen hohen µ-Wert, aber im Vergleich zu anderen Baustoffen nur sehr geringe Schichtdicken.
In der Praxis arbeitet man mit dem sd-Wert. Je grösser der Wert, desto weniger Wasserdampf kann durch ein Bauteil hindurchdiffundieren. Mit folgender Formel wird die sogenannte wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke berechnet, die zuverlässige Angaben zur Diffusionsfähigkeit eines Bauteils unter Berücksichtigung der Schichtdicken und der µ-Wert der verwendeten Materialien liefert:
- sd = s · µ
- s = Bauteildicke
- µ = Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl in Metern.
Bauphysik
Die Bauphysik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin gibt es seit den 1920er-Jahren. Sie entwickelte sich aus der Notwendigkeit heraus, die physikalischen Eigenschaften von Gebäuden systematisch zu erforschen, um deren Energieeffizienz, Schallschutz, Brandschutz, Wärmedämmung und Feuchtigkeitsregulierung zu verbessern. In den 1930er- und 1940er-Jahren wurden die Grundlagen der modernen Bauphysik durch Pioniere wie Ernst Neufert und viele andere gelegt. Seitdem hat sie sich kontinuierlich weiterentwickelt und spielt heute eine zentrale Rolle in der Planung und Konstruktion von Gebäuden, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz.
In Bezug auf die Diffusionsfähigkeit können Putze und Beschichtungen in drei Klassen eingeteilt werden. Diesen Zusammenhang stellte Helmut Künzel bereits Ende der 1960er-Jahre her und begründete damit eine viel beachtete Fassadenschutztheorie . Sie basiert darauf, dass ein wirksamer Feuchteschutz immer dann gegeben ist, wenn die Wasserabgabe einer Fassade wesentlich grösser ist als ihre Wasseraufnahme.