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«Es geht bei der Schülerzahl erstmals seit Langem wieder bergauf»

Der Trend scheint endlich gekehrt zu haben: Die Berufsfachschule Gipser hat nach einer Durst­strecke endlich wieder mehr Schüler und Schülerinnen. Rektor Christoph Roth erklärt die Gründe dafür.
02.07.2025 Grundbildung

«Applica»: Herr Roth, im Schuljahr 2024/25 hat die Zahl der Schülerinnen und Schüler an der Berufsfachschule Gipser erstmals seit langer Zeit wieder markant zugenommen. Was bedeutet das konkret?
Christoph Roth: Zu Beginn des Schuljahres 2024/25 starteten 98 Schülerinnen und Schüler. Das sind 24 mehr als ein Jahr zuvor.

Wie war die Entwicklung vorher?
Seit zehn Jahren gehen die Zahlen tendenziell stetig zurück. Sie verändern sich allerdings im Laufe eines Schuljahres aus verschiedenen Gründen. Momentan sind wir ungefähr auf dem Stand des Schuljahres 2020/21. Generell gesagt, geht es das erste Mal seit Langem wieder bergauf.

Wie sieht es für die Zukunft aus?
Oft gehen die Schülerzahlen nach einer Zunahme im folgenden Jahr wieder zurück. Gemäss dem jetzigen Anmeldestand für das Schuljahr 2025/26 bin ich aber zuversichtlich, dass wir den Stand halten oder sogar ausbauen können. Das könnte zur Herausforderung werden.

Inwiefern?
Die vorhandenen Lehrkräfte können eine bestimmte Anzahl Klassen unterrichten. Bislang verzichteten wir auf EFZ-Klassengrössen von über 20 Lernenden. Wenn eine EFZ-Klasse diese Grösse überschreitet, müsste eine neue Klasse geschaffen werden. Das bedeutet die Anstellung einer zusätzlichen Lehrkraft und damit mehr Lohnkosten. Da uns die Kantone pro Schüler und Schülerin finanzieren, sind wir auf möglichst gefüllte Klassen angewiesen. Nur so können wir die Lohnkosten decken. Es fordert die Schulplanung daher ständig, dass sich die Klassengrössen verändern. 

Warum verändern sie sich?
Die Klassen werden im Lauf der Lehre kleiner, weil Lernende aus verschiedenen Gründen aussteigen. In den letzten Jahren ist dazugekommen, dass sich die Klassengrössen verändern, weil EBA-Lernende ins EFZ wechseln und umgekehrt. Damit kommen sie in eine neue Klasse.

Kommen wir zurück zur Anzahl Lernender. ­Weshalb hat diese wieder zugenommen?
Wegen der demografischen Entwicklung. Zurzeit kommen geburtenstärkere Jahrgänge in die Lehre. Und wir haben mehr Personen in der Zusatzlehre und der Nachhol­bildung für Erwachsene. Darum ist es wichtig, dass die Nachholbildung und vor allem die Zusatzlehre noch ­breiter bekannt werden. Da sind wir zusammen mit der Kommunikation des SMGV dran. Wir wollen die Unternehmen stärker dafür sensibilisieren, wie wichtig die Ausbildung ist.

Was ist Ihr Appell an die Unternehmen?
Ausbilden! Sie müssen ausbilden, die Verantwortung dafür wahrnehmen. Ein Lehrverhältnis einzugehen, ist zwar mit Aufwand verbunden. Aber wenn wir den Gipserberuf langfristig sichern wollen, dann müssen wir Lernende ausbilden. Und ganz wichtig: Man muss nicht nur Nachwuchs rekrutieren, sondern diesen dann intensiv begleiten und betreuen, vor allem am Anfang. Letztlich zählt nicht, wie viele eine Grundbildung anfangen, sondern wie viele von ihnen sie erfolgreich abschliessen. Diese Zahl hat sehr stark abgenommen.

Warum ist vor allem am Anfang der Lehre die Betreuung so wichtig?
Den Wechsel von der Schule in die Lehre vergleiche ich mit dem ersten Mal Skiliftfahren. Beim Anbügeln kann am meisten passieren, wenn man es nicht gewohnt ist. Da braucht es Unterstützung. Wenn man erst in der Mitte des Lifts merkt, dass jemand nur noch mit einem Ski unterwegs ist, ist es zu spät. Er wird nicht oben ankommen. Wenn das beherzigt wird, lassen sich viele Lehrvertragsauflösungen vermeiden.

Was tun Sie seitens der Berufsfachschule, wenn ein/e Lernende/r Schwierigkeiten hat?
Sowohl die Schule als auch die ÜK-Verantwort­lichen bieten Unterstützung an. Trotzdem bleibt der Betrieb am wichtigsten, weil die Lernenden dort die meiste Zeit verbringen. Die Berufs­bildner und Berufsbildnerinnen müssen reagieren und zum Beispiel einen Wechsel vom EFZ ins EBA aufgleisen, wenn ein Lernender in der ­Praxis gut, aber in der Schule schwach ist. Die Lehrvertragsauflösung darf nur das allerletzte Mittel sein, wenn jemand für die Grundbildung in den Gipserberufen nicht geeignet ist oder sehr schwere persönliche Probleme hat. Der SMGV geht dieses Thema übrigens mit dem neuen Konzept zur Lehrbetriebsgewinnung und -förderung an, in dessen Rahmen sich in den Regionen Bildungsverantwortliche um das Thema ­kümmern. 

Gesucht: Lehrpersonen für Berufskunde

Wegen anstehender Pensionierungen sucht die Berufsfachschule Gipser in Wallisellen zwei Berufskunde-Lehrpersonen im Hauptamt. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Weiterbildung auf der Stufe Projektleiter/in oder Meister/in beziehungsweise die Bereitschaft, diese zeitnah zu erlangen. Für die Tätigkeit als Lehrperson im Hauptamt braucht es eine zweijährige, berufsbegleitende Ausbildung an einer Pädagogischen Hochschule. Eine Berufsmatur ist nicht mehr nötig.

Diesen Weg hat Gipsermeister Giuliano Di Lorenzo vor zwei Jahrzehnten eingeschlagen. Nach einer Tiefbauzeichner-Lehre und einer Zusatzlehre als Gipser arbeitete er vorerst im Familienbetrieb. Eines Tages fragte ihn der Aroser Gipserunternehmer Pietro Cunti, ob er nicht Lust habe, Schule zu geben. Di Lorenzo rief in der Berufsfachschule Gipser an und erhielt einen abschlägigen Bescheid, da kein Bedarf nach Lehrern bestand.

Das änderte sich nach einem halben Jahr. Di Lorenzo begann mit einem 10-Prozent-Pensum und betreute eine Klasse. Daneben arbeitete er im Gipsergeschäft Rogantini in Chur GR. Mit der Zeit erhöhte sich das Pensum als Lehrer auf 30 Prozent, was nicht mehr mit der Tätigkeit als Gipser vereinbar war. Nachdem er eine Zeit lang je zur Hälfte in der Schule und als Produktmanager bei Fixit gearbeitet hatte, entschloss sich Di Lorenzo, voll auf den Lehrerberuf zu setzen.

Spannende Weiterbildung

Um als Lehrer im Hauptberuf arbeiten zu können, besuchte er berufsbegleitend den Studiengang an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung. «Das war sehr spannend und lehrreich», erinnert sich Di Lorenzo. Er kann die Tätigkeit als Lehrperson allen empfehlen, die gerne mit Jugendlichen arbeiten, auch wenn es manchmal etwas schwierig ist. Positiv hebt er die «Lebensqualität» hervor, die sein Job bietet. Dazu trägt unter anderem bei, dass die Berufskunde-Lehrer sehr einheitlich unterrichten und über gutes Unterrichtsmaterial verfügen. Dieses wird ergänzt durch eine Sammlung von Anschauungsmaterial und didaktischen Hilfsmitteln. Diese Faktoren entlasten bei der Vorbereitung des Unterrichts und geben Luft für die Begleitung der Lernenden. «Das ermöglicht es uns, auf die spezifischen Bedürfnisse unserer Lernenden einzugehen», sagt Di Lorenzo.

Stolz auf den Beruf

Er sei stolz auf den Gipserberuf, betont der Lehrer, «er ist der schönste und sehr vielseitig». Giuliano Di Lorenzo will dazu beitragen, dass gut ausgebildete Berufsleute auf den Bau kommen.

Wenn Sie Interesse an einer Tätigkeit als Lehrperson an der Berufsfachschule haben, wenden Sie sich an Rektor Christoph Roth, 043 233 35 75, christoph.roth@smgv.ch

Mehr Infos zur Lehrerausbildung

Interview: Raphael Briner
Bild: SMGV

 
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