Schimmelpilztagung räumt mit Mythen auf
«In den Medien kursieren viele Unwahrheiten zum Thema Schimmel», weiss Peter Seehafer, Malermeister und Bereichsleiter Technische Dienste Maler beim SMGV. So heisst es beispielsweise, die Wärmedämmung fördere Schimmelbildung oder die Kippstellung beim Fenster reiche zum Lüften aus.
Um mit Falschmeldungen wie diesen aufzuräumen, luden der Verband Schimmelpilz- und Raumgiftsanierung SPR Schweiz und der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband SMGV Mitte Juni 2024 zur fünften Schimmelpilztagung. Im ARTE Seminar- und Konferenzhotel in Olten trafen sich unter anderem Immobilien-Verwalter, Mitarbeitende von Wohnbaugenossenschaften, Hauswarte sowie Maler- und Gipserunternehmer, um sich über gesundheitliche Auswirkungen von Schimmelpilz, seine fachgerechte Sanierung und über rechtliche Grundlagen auszutauschen.
Ermitteln der Ursache ist A und O
Dass Schimmel im schlimmsten Fall gravierende gesundheitliche Folgen hat, erklärt Dr. Christoph Ninck Weber, Facharzt für Pneumologie an der Aeolus Lungenpraxis in Bern. Insbesondere bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem können Schimmelpilze neben Allergien auch Infektionen in den Organen, Hautausschläge oder Atemwegsinfekte auslösen. «Bei Schimmelbefall ist das Risiko für Kinder an Asthma zu erkranken, doppelt so hoch», weiss Ninck. Deshalb ist es wichtig, Schimmelbefall schnell zu erkennen und zu beseitigen.
Schimmelpilze können als kleine graue Punkte auf Kittfugen im Bad auftauchen, aber auch ganze Wände in Beschlag nehmen: Das Ausmass einer Schadenssituation reicht von kleinflächigem Schimmel, der der Kategorie 0 zuzuordnen ist, bis zu grossflächigem und dichtem Befall der Kategorie 2. «Schimmel ist aber nicht immer sichtbar», warnt Peter Seehafer. Er könne auch hinter Tapeten und Holzverkleidungen lauern. Aus Kostengründen und Zeitnot wird Schimmel aber oftmals nur oberflächlich entfernt oder übermalt. So wächst der Schimmel jedoch weiter und entwickelt sich von einem Befall der Kategorie 0 zu einem erstzunehmenden und kostenintensiven Problem. Das A und O einer Schimmelpilz-Sanierung sei deshalb das Ermitteln und das Beheben der Ursache, so Seehafer.
Bewohner oder Gebäudekonstruktion?
Damit sich Schimmelpilz entwickeln kann, braucht es ein feuchtes Klima, einen geeigneten Nährboden und vorhandene Sporen, berichtet Prof. Roger Blaser Zürcher, Präsident von SPR Schweiz. Wenn sich die Temperatur im Innern des Gebäudes stark von der Aussentemperatur unterscheidet, kondensiert die Feuchtigkeit an der kalten Aussenwand oder an energetischen Schwachstellen und bietet für Sporen den perfekten Nährboden. Wer die Schuld dafür trägt, wird spätestens bei der Finanzierung der Sanierung zur wichtigen Frage: Ist der Schimmelpilzbefall auf den Bewohner oder die Gebäudekonstruktion zurückzuführen? Einerseits führt eine falsche Raumnutzung zu einem erhöhten Risiko für Schimmelpilz: Kochen, Wäschetrocknen oder Duschen treiben bei ausbleibender Raumbelüftung die Feuchtigkeit hoch.
Andererseits gibt es auch bauphysikalische Gegebenheiten, die die Bildung von Schimmel begünstigen: Unsachgemässe Renovationen, dicht schliessende Fenster oder ein Wasserschaden können die Hauptursachen dafür sein. «Meistens werden die Bewohner dafür verantwortlich gemacht, obwohl die Ursache aber in mindestens 50 Prozent der Fälle auf die Gebäudekonstruktion zurückzuführen ist», so Prof. Roger Blaser Zürcher.
Feuchtwarme Waschküche versus kaltes Restaurant
Daniel Bertschi, Dipl. Malermeister und Projektleiter bei der Menz AG, erzählt in seinem Referat von einem Gebäude, in dessen unterem Bereich eine Waschküche liegt, die rege genutzt wird, während im oberen Teil ein Restaurant eingerichtet ist. «Da das Restaurant im Winter nicht in Betrieb ist, wird oben auch nicht geheizt», erklärt Bertschi. «Das hatte zur Folge, dass die feuchtwarme Luft aus der Waschküche auf den kalten Wänden des Restaurants kondensierte und sich so starker Schimmel bilden konnte.»
Die Menz AG habe zuerst sämtliche Untergründe der Räumlichkeiten desinfiziert, bevor Putz und Farbe erneuert werden konnten. «Dabei ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden im Umgang mit Schimmel geschult sind», so Bertschi. Dazu gehören eine entsprechende Schutzausrüstung und das Einhalten einer maximalen Aufenthaltsdauer innerhalb der Sanierungszone. Schliesslich wurde dafür gesorgt, dass sich nicht erneut Schimmel bilden konnte: «Die feuchte Luft der Waschküche wird nun durch eine Lüftungsanlage ins Freie transportiert und die Waschküche wurde baulich vom Restaurant getrennt.» Daniel Bertschi wies zudem auf die Qualitätssicherung hin, bei der sein Team unter anderem Klebekontaktproben verwende, damit nachgewiesen werden könne, dass nach der Sanierung keine Sporen mehr vorhanden sind.
Zielkonflikt Beweissicherung
Eine gründliche Dokumentation ist nicht nur für das zuständige Maler- und Gipserunternehmen von Vorteil. Sie dient auch der Beweissicherung, sollte die Schuldfrage vor Gericht enden. Das betont auch die Rechtsanwältin Janine Wäber. «Die Beweissicherung führt häufig zu einem zeitlichen Zielkonflikt», weiss sie. Einerseits soll der Schimmel möglichst schnell beseitigt werden, andererseits werden mit einer Sanierung auch Beweismittel entfernt. Deshalb rät sie zu einer vorsorglichen Beweisführung, indem das Gericht vor der Schimmelsanierung um Einholung eines gerichtlichen Gutachtens ersucht wird.
Ein sogenanntes Privatgutachten, welches von einer Partei direkt bei einem Unternehmen eingeholt werde, könne zwar unter Umständen in einer nicht streitigen Situation helfen, gelte vor Gericht aber nicht als Beweismittel im Sinne der Zivilprozessordnung, sondern als blosse Parteibehauptung, so Wäber.
Erich Landolt, Malermeister und Mitglied des Verwaltungsrats der Landolt Maler AG, erstellt als Fachexperte SMGV immer wieder solche Gerichtsgutachten. Er gibt den Teilnehmenden der Schimmelpilztagung zum Abschluss noch einige Tipps mit auf den Weg. So könne man zum Beispiel sowohl beim Neubau als auch bei der Sanierung mit der Wahl geeigneter Materialien dafür sorgen, dass sich Schimmel nicht so leicht festsetzen könne. Zudem weiss auch er: Das Kippen der Fenster reicht nicht, um Schimmel zu verhindern. Regelmässiges Stosslüften und eine gute Dämmung hingegen schon.
Text und Bilder: Pamela Schefer