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Strukturierte Putzfassaden machen Städte leiser

Auftritt der Kreativen am Bau an der Swissbau: «Pssst, neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt» waren das Thema zweier vom SMGV organisierter Referate an der Baumesse in Basel. Dabei wurde klar, dass die Verputzte Aussenwärmedämmung Potenzial für die Lärmminderung hat.
19.01.2024 Veranstaltungen

«Die Architektur kann über die Gebäudehülle einen Beitrag zur leiseren Stadt leisten», weiss Holger Techen, Professor für Tragwerkslehre und Baukonstruktion. An der Keynote Session «Pssst, neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt», die heute Freitag im Rahmen der Swissbau 2024 in der Messe Basel gehalten wurde, erklärten Techen und sein Kollege Jochen Krimm, wie sich die Nachverdichtung und die zunehmende Zahl von Glasfassaden im urbanen Raum auf die Lärmbelastung auswirken und welche Fassadenkonzepte diese senken können.

Mario Freda, der Zentralpräsident des SMGV, begrüsste die Referenten und Gäste. Er wies darauf hin, dass gemäss einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Lärm immer mehr Menschen krank macht und dass es die Bauwirtschaft in der Hand habe, ihren Teil zu den Gegenmassnahmen beizutragen.

Plötzlich 200 anstatt 100 Autos

«Immer mehr freie Flächen werden bebaut», gab Krimm zu bedenken. Die zusätzlichen Fassaden reflektierten den Lärm, der unter anderem vom Verkehr verursacht werde, und sorgten für noch stärkere Lärmbelastung. Der Pegel einer Schallquelle erhöht sich um etwa 3 Dezibel, wenn der Schall zusätzlich von einer Fassade reflektiert wird; bei zwei Fassaden sind es gar rund 6 Dezibel. Die 3 Dezibel können in der Wahrnehmung eine Verdoppelung bedeuten. Ein Mensch meint dann zum Beispiel, anstatt 100 plötzlich 200 Autos zu hören.

Um die akustische Qualität des urbanen Raumes real, also nicht wie bisher nur unter Laborbedingen, messen zu können, haben Techen und Krimm eine neue Methode entwickelt: An acht Standorten im Frankfurter Stadtgebiet haben sie mit Hilfe von mobilen Testfassadenflächen gemessen, wie sich unterschiedliche Fassadenstrukturen in Abhängigkeit von umgebenden Gebäuden und Raumgestaltungen auf die akustische Situation auswirken.

Kammzugartiges Relief

Die Testfassadenflächen wiesen unterschiedliche Materialien wie Textil, Lochblech oder künstlicher Stein und verschiedene Strukturen auf. Eine Fläche wurde gefertigt mit einem System der Verputzten Aussenwärmedämmung (VAWD) als horizontales Relief, das an einen Kammzug angelehnt ist. Eine andere Fläche wies – ähnlich wie viele Gebäude – eine schallharte Oberfläche auf.

In ihrer Forschungsarbeit kamen Techen und Krimm zum Schluss, dass im Kampf gegen den Lärm nicht das Material der Fassadenoberfläche entscheidend ist, sondern auch deren geometrische Struktur. Sobald die Oberfläche beispielsweise Wellen, Rillen, Löcher oder unregelmässig ausgerichtete Kanten aufweist, werden die auftreffenden Schallwellen umgelenkt.

Allerdings kommt es auch darauf an, wie die Strukturen ausgerichtet sind. Vertikal ist besser als horizontal wenn es darum geht, den Schall zu reduzieren. Falsch eingesetzt, können Strukturen den Lärm sogar grösser werden lassen.

Der Ersatz von schallharten Oberflächen durch strukturierte Oberflächen kann eine Lärmreduzierung von bis zu 6 Dezibel bewirken. Techen wies allerdings darauf hin, dass es kein einheitliches Erfolgsrezept gebe: «Jedes Bauvorhaben muss individuell akustisch bewertet werden, um eine darauf abgestimmte Fassadenoberfläche zu gestalten.» Sicher ist, dass die VAWD und damit das Gipserhandwerk ihren Anteil leisten können.

Ergebnisse bekannt machen

Und, ganz wichtig: Mit Forschung allein ist es nicht getan. Die Ergebnisse müssen in die Köpfe der Verantwortlichen in Stadtverwaltungen, Planung und Ausführung kommen. Dazu brauche es niederschwellig erreichbare Informationen, sagte Krimm. Eigentlich könne man sich an den Vorfahren orientieren, ergänzte Techen. In der Basler Alstadt lasse sich leicht feststellen, dass früher die Fassaden so strukturiert worden seien, dass sie Lärm vermindern konnten.

Text und Bilder: Raphael Briner

Die Referenten

Prof. Holger Techen und Dr.-Ing. Jochen Krimm von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt AUS) haben mit einer Forschungsgruppe des Fachbereichs Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik im Rahmen der Forschungsinitiative «Zukunft Bau» die akustische Wirkung von Fassadenoberflächen im Kontext des Stadtraums untersucht.

 
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